Nutzwertanalyse im Maschinenkaufprozess
Wie man die Entscheidung für einen Lasermaschinenkauf fundiert abwägt und inwiefern eine Nutzwertanalyse dabei helfen kann
Louisa Draack | 22. Oktober 2024 ᛫ 15 Min.
Bei dem Kauf von Maschinen und speziell von Lasermikrobearbeitungsanlagen sind durch das kaufende Unternehmen Investitionen zu tätigen, über deren Höhe in der Regel nur wenige Male pro Jahr entschieden wird. Die Kosten können sich von wenigen Hunderttausendeuro bis in den Millionenbetrag erstrecken, sodass die Entscheidung gut durchdacht werden sollte.
Hierzu eignet sich zum Beispiel eine Nutzwertanalyse, kurz NWA, welche als Entscheidungsinstrument im Rahmen von Investitionen dient. Mit dieser Methode können unterschiedliche Optionen systematisch bewertet und miteinander verglichen werden, insbesondere dann, wenn mehrere Kriterien die Entscheidung beeinflussen. Neben wirtschaftlichen Kriterien können unter anderem auch technische und qualitative Merkmale miteinander vergleichen werden.
Im nachfolgenden Artikel erklären wir, welche Faktoren die Entscheidung eines Maschinenkaufs beeinflussen, wie diese Kriterien zu bewerten sind und geben einen Vorschlag zur Berechnung einer Nutzwertanalyse.
Mögliche einflussfaktoren für einen Maschinenkaufprozess
Wirtschaftliche Merkmale
Vor allem für die Einkäufer eines Unternehmens sind natürlich die wirtschaftlichen Merkmale vor einem Maschinekauf von höchster Bedeutung. Dabei sind nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch die Betriebs- und Wartungskosten relevant.
Dies zeigt sich am Beispiel eines Lasermikrobearbeitungsprozesses im Vergleich zu einer chemischen Reinigung oder anderen herkömmlichen Methoden wie z.B. dem mechanischen Bohren. Entsprechende Methoden können zum Teil mit recht niedrigen Investitionskosten beschaffen werden, gehen jedoch in einigen Fällen mit recht hohen laufenden Kosten einher. Während im Laserprozess kaum Wartungsaufwand vorhanden und neben Energie meistens auch kein weiteres Verbrauchsmaterial notwendig ist, sind die Kosten bei den herkömmlichen Methoden für Ersatzbohrer, Chemikalien, Energie und Wartungen hoch. Auch die finanzielle Stabilität eines Unternehmens ist hierbei zu berücksichtigen.
Somit zeigt sich, dass alle wirtschaftlichen Faktoren für eine umfassende Bewertung in der Nutzwertanalyse in Betracht gezogen werden müssen, nicht nur die Anfangsinvestition.
Technische und Qualitätsmerkmale
Bei einem Maschinenkauf gehen die Qualitätsmerkmale häufig mit den technischen Merkmalen einer Anlage einher. Auf der einen Seite gibt es Faktoren, welche für jede Maschine und jeden Kunden relevant sind, wie die Verfügbarkeit, Ausschussraten und die Zuverlässigkeit. Auf der anderen Seite gibt es Faktoren, welche sehr kundenspezifisch sind. Diese können zum Beispiel die Taktzeit, die Präzision, die Aufstellfläche, Nachrüstmöglichkeiten und Schnittstellen sein.
Ökologische Merkmale
Inzwischen wird in vielen Firmen neben finanziellen Aspekten auch der Umweltfaktor immer relevanter, sodass diese in den Unternehmensvorschriften verankert werden. Somit können in der Nutzwertanalyse auch Faktoren wie die Umweltfreundlichkeit oder die Energieeffizienz aufgenommen werden.
Auswahl und Gewichtung der Kriterien
Die Auswahl und die Gewichtung der Kriterien kann nicht allgemeingültig sein, da für jedes Unternehmen und jede Entscheidung spezielle Entscheidungsfaktoren eine Rolle spielen. So sind einige Eigenschaften in manchen Branchen relevanter als in anderen. In der Automobilindustrie spielt zum Beispiel die Durchlaufzeit eine maßgebliche Rolle, während in Industrien mit geringeren Stückzahlen, wie z.B. der Luftfahrt, andere Kriterien wichtiger sind.
Aber auch innerhalb eines Unternehmens kann bei einer Maschine der Platzbedarf eine große Rolle spielen, da ein bestimmter Aufstellort eingeplant ist, während bei einem anderen Projekt die Automatisierbarkeit von größerer Wichtigkeit ist.
Aus diesem Grund sollten zunächst relevante Faktoren gesammelt und danach entschieden werden, welche dieser Kriterien zwingend in der Nutzwertanalyse aufgenommen werden müssen. Wichtig ist, dass dabei alle relevanten Kaufentscheider bei der Auswahl der Faktoren mit einbezogen werden. Bei der Eingrenzung sollte sich auf bis zu 10 Punkte beschränkt werden, damit Redundanzen vermieden werden können, eine Einschränkung auf die wesentlichen Punkte vorhanden und für eine bessere Übersicht gesorgt ist.
Die einzelnen Kriterien werden dann auch unter Berücksichtigung aller Interessen nach ihrer Bedeutung für das Unternehmen gewichtet. Dies kann zum Beispiel durch einen paarweisen Vergleich durchgeführt werden, bei der jedes Kriterium mit jedem anderen Kriterium verglichen wird, um zu bewerten, welches für das Unternehmen eine höhere Bedeutung hat. Dadurch entstehen unterschiedliche Wertigkeiten, welche für die Nutzwertanalyse übernommen werden können.
Nachfolgend finden Sie ein Beispiel, bei der die Bewertung 1 bedeutet, dass das Kriterium wichtiger ist als das jeweils andere.
Wichtiger ↓ | als → | Kriterium 1 | Kriterium 2 | Kriterium 3 | Kriterium 4 | Kriterium 5 | Summe | Anteil [%] |
Kriterium 1 | 1 | 0 | 1 | 1 | 3 | 25 % | ||
Kriterium 2 | 0 | 1 | 0 | 1 | 2 | 16,67 % | ||
Kriterium 3 | 0 | 1 | 1 | 1 | 3 | 25 % | ||
Kriterium 4 | 0 | 0 | 1 | 1 | 2 | 16,67 % | ||
Kriterium 5 | 0 | 0 | 0 | 1 | 2 | 16,67 % | ||
12 | 100 % |
Hier eine Vorlage zur Berechnung einer Nutzwertanalyse downloaden
Bewertung der Alternativen und BErechnung des Nutzwertes
Die einzelnen Alternativen werden dann im Rahmen der Nutzwertanalyse für jedes Kriterium bewertet. Dabei können nicht nur Neuanschaffungen verschiedener Hersteller und verschiedener Anlagentypen bewertet werden, auch die bisher vorhandene Fertigungsmethode kann in den Vergleich mit einbezogen werden.
Die Bewertung erfolgt meistens anhand einer Punkteskala, welche zum Beispiel von 0 bis 10 gehen kann. Wenn eine Alternative in Bezug auf ein Kriterium mit der Punktzahl 10 bewertet wurde, bedeutet das, dass diese das Kriterium im vollen Umfang erfüllt hat – während eine 0 bedeutet, dass das Kriterium von dieser Alternative nicht erfüllt wurde. Dazwischen sind verschiedene Abstufungen möglich.
Die Bewertung kann anhand von Erfahrungswerten entscheidungsrelevanter Mitarbeiter, aber auch aufgrund der Datenblätter und der Angebote der einzelnen Anlagen bewertet werden.
Sobald für jede Alternative jedes Kriterium bewertet wurde, ergibt sich der Nutzwert jeder Maschine aus der Summe der gewichteten Einzelbewertungen. Hierzu werden die Bewertungen mit der vorher definierten Gewichtung multipliziert.
Nachfolgend finden Sie ein Beispiel einer Nutzwertanalyse auf Basis der Bewertungszahlen von 0 – 10.
Kriterium 1 | Kriterium 2 | Kriterium 3 | Kriterium 4 | Kriterium 5 | Nutz-wert | ||
Gewichtung | 25 % | 16,67 % | 25 % | 16,67 % | 16,67 % | ||
Alternative 1 | Bewertung | 10 | 5 | 8 | 3 | 7 | |
Wert | 2,5 | 0,8335 | 2 | 0,5001 | 1,1669 | 7,0005 | |
Alternative 2 | Bewertung | 8 | 8 | 7 | 6 | 8 | |
Wert | 2 | 1,3336 | 1,75 | 1,0002 | 1,3336 | 7,4174 | |
Alternative 3 | Bewertung | 1 | 5 | 6 | 7 | 4 | |
Wert | 0,25 | 0,8335 | 1,5 | 1,1669 | 0,6668 | 4,4172 |
In diesem Beispiel hat die Alternative 2 den höchsten Nutzwert.
Worauf man beim Kauf einer Laseranlage achten sollte lesen Sie hier
Vor- Und Nachteile der Nutzwertanalyse
Vorteile
Einbezug verschiedener Bewertungsfaktoren
Die Entscheidung kann von verschiedenen Faktoren abhängig gemacht werden, wodurch unterschiedliche Meinungen und Perspektiven mit einbezogen werden können.
Berücksichtigung qualitativer und quantitativer Kriterien
Anders als bei anderen Bewertungsverfahren berücksichtigt die Nutzwertanalyse nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Faktoren und vergleicht diese miteinander. Dadurch können sowohl wirtschaftliche, als auch technische und ökologische Aspekte bewertet werden.
Entscheidungstransparenz und Übersichtlichkeit
Die Entscheidung wird aufgrund fest gewichteter Faktoren getroffen, welche dokumentiert werden können und den Entscheidungsprozess auch im Nachhinein transparent machen. Sollte eine Entscheidung im Nachhinein angezweifelt werden, kann die Dokumentation noch einmal betrachtet und ggf. für zukünftige Entscheidungen angepasst werden.
Vergleich von mehreren Alternativen
Mit dem Verfahren können nicht nur mehrere Kriterien, sondern auch mehrere Alternativen gegenüber gestellt werden. Dies macht es möglich, dass sich zunächst nicht nur auf zwei Alternativen beschränkt werden muss wie z.B. „Make-or-buy“, sondern auch unterschiedliche Kaufoptionen in Betracht gezogen werden können.
Vereinfachte Entscheidungsfindung
Viele Entscheidungen hängen nicht nur von unterschiedlichen Kriterien, sondern auch von verschiedenen Beeinflussern ab, welche unterschiedliche Sichtweisen vertreten. Durch den direkten Vergleich und die Quantifizierung der einzelnen Entscheidungsfaktoren können alle Personen und deren Meinungen berücksichtigt werden, sodass die Entscheidung einfacher getroffen und von allen unterstützt werden kann.
Nachteile
Subjektivität bei der Auswahl der Kriterien und deren Gewichtung
Während sich die Alternativen anhand der Kriterien in vielen Fällen sehr objektiv bewerten lassen, ist die Auswahl der Kriterien und deren Gewichtung abhängig von der bewertenden Person und kann stark abweichen, wenn diese z.B. durch einen Anlagenbediener oder einen Einkäufer aufgestellt wird.
Komplexität bei zu vielen Kriterien
Vor allem wenn viele Personen in den Entscheidungsprozess einbezogen werden, kann es schwierig sein, sich auf maximal zehn Bewertungskriterien zu einigen. Je mehr Kriterien jedoch verwendet werden, desto unübersichtlicher können die Bewertung der Kriterien und die darauffolgende Nutzwertanalyse sein.
Kompensation von Ausschlussfaktoren
Die Nutzwertanalyse hilft vor allem dabei, verschiedene Wunsch-Faktoren, die das Unternehmen an das Produkt hat, miteinander zu vergleichen. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch absolute „No-Go’s“. Wenn es Ausschlussgründe bei einer oder mehreren der vorhandenen Alternativen gibt, diese jedoch nicht vorab aussortiert wurden, kann es passieren, dass diese Faktoren im Rahmen der Nutzwertanalyse einen geringen Stellenwert erhalten. Gegebenenfalls erhält diese Alternative dann sogar die beste Bewertung.
Nehmen wir als Beispiel das Investitionsbudget: Eventuell hat das Unternehmen, welches eine neue Anlage kaufen möchte, aktuell einen neuen Fertigungsauftrag gewonnen. Dieser lässt sich nur unter der Bedingung umsetzen, dass eine neue Lasermikrobearbeitungsmaschine beschafft wird. Aus diesem Grund wird der Anschaffungspreis als weniger wichtig angesehen als die anderen Bewertungskriterien und beispielsweise nur mit 10 % bewertet. Nun bietet ein Lasermaschinenhersteller eine Anlage an, die allen anderen Kriterien entspricht, jedoch das Zehnfache aller anderen angebotenen Anlagen kostet. Wenn dieses Angebot nicht sofort aussortiert wird, wird der Anbieter der Gewinner des Vergleiches sein, obwohl er dennoch nicht in Betracht gezogen wird.
Außer Acht lassen von Wechselwirkungen
Manche Kriterien beeinflussen sich wechselseitig. So führt zum Beispiel eine längere Autonomiezeit der Anlage mit höherer Automation auch zu einem höheren Energieverbrauch und einer größeren Standfläche. Dies kann unter Verwendung der Nutzwertanalyse jedoch nicht berücksichtigt werden.
Zeitaufwand
Im Vergleich zu anderen Entscheidungstechniken ist die Methode verhältnismäßig aufwändig und kann deshalb nicht zur Unterstützung jedes Entschlusses in Betracht gezogen werden. Für große Investitionen lohnt sich der Zeitaufwand jedoch in jedem Fall!
Fazit zur Nutzwertanalyse beim Maschinenkauf
Zusammengefasst hilft die Nutzwertanalyse dabei, verschiedene Lasermaschinenmodelle und/oder Lieferanten miteinander zu vergleichen und die Option auszuwählen, die den größten Gesamtnutzen für das eigene Unternehmen hat.
Die Methode muss gut vorbereitet werden, damit die wichtigsten Faktoren betrachtet werden können und unterschiedlichste Ansichtsweisen in die Entscheidung mit einfließen können. Durch diese Vorgehensweise lässt sich dann eine strukturierte und nachvollziehbare Entscheidung treffen.
Da die Entscheidungstechnik viel Zeit in Anspruch nimmt, lohnt sich diese vor allem für komplexe, kostenintensive und wichtige Entscheidungen.
Sollten Sie derzeit vor der Entscheidung stehen, eine Lasermikrobearbeitungsanlage anzuschaffen und hierfür auf die Nutzwertanalyse zurückgreifen wollen, stellen wir Ihnen gerne unsere Download-Vorlage zur Verfügung. Diese finden Sie unter dem folgenden Link. Bei Fragen kontaktieren Sie gerne direkt Frau Louisa Draack.
Kontaktieren Sie mich für eine individuelle Beratung in einem unverbindlichen erstgespräch
Mehr über die Autorin:
Louisa Draack, m. Sc.
Louisa Draack ist für den technischen Vertrieb der Lasermikrobearbeitungszellen bei Pulsar Photonics zuständig. Sie hat einen Master-Abschluss an der FH Aachen in Industrial Engineering und fast sechs Jahre Berufserfahrung im Bereich Laserbearbeitung mit Kurz- und Ultrakurzpulslasern.